BRICKS OR BOMBS?
WIE LEGO® MIT RÜSTUNGSFIRMEN ZUSAMMENARBEITET, KRIEGSSPIELZEUG HERSTELLT UND DAMIT SEINE EIGENEN GRUNDSÄTZE VERRÄT. [Diese Studie gibt es auch hier als PDF!]
LEGO® TECHNIC 42113 BELL-BOEING V-22 OSPREY
Teilezahl: 1.636
Preis (UVP): 129,99 Euro
Veröffentlichung: August 2020
Lizenzen: Boeing®/Bell/Textron®
Sonstiges: Aufgrund der Boeing®/Bell/Textron®-Lizenz gibt es beim „Osprey“-Set – zum aktuellen Zeitpunkt – kein alternatives B-Modell, so wie es bei anderen LEGO®-Sets der Fall ist.
Altersempfehlung: Ab 11 Jahren
LEGOS ERSTES MODERNES MILITÄRMODELL
5,2 Milliarden Euro (38,5 Milliarden Dänische Kronen) setzte die „LEGO® Group“ 2019 weltweit um – ein Rekordergebnis.[1] Der Nettogewinn des Unternehmens mit Hauptsitz im dänischen Billund betrug 1,1 Milliarden Euro.[2] Mit 6,76 Milliarden US-Dollar ist LEGO® die mit Abstand wertvollste Spielwarenmarke der Welt.[3] Das Unternehmen betreibt weltweit etwa 570 eigene Läden – 150 weitere sind in Planung. [4] Für 2019 ermittelte das Meinungsforschungsinstitut YouGov LEGO® als aus Verbraucher*innensicht beste Marke in Deutschland – mit der von Verbraucher*innen besten Markenqualität, Zufriedenheit und Reputation sowie Weiterempfehlungsbereitschaft – und kürte das Unternehmen zur „Marke des Jahres“.[5] Der Erfolg von LEGO® hat auch mit diesem weltweit sehr positiven Image zu tun.[6]
Kjeld Kirk Kristiansen, Enkel des LEGO®-Gründers Ole Kirk Christiansen und von 1979 bis 2004 Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens, formulierte 1978 eine Vision: „Unser langfristiges Ziel ist es, dass der Verbraucher den Namen LEGO als Synonym für ein Unternehmen sieht, das kreatives Qualitätsspielzeug herstellt und vermarktet, welches die persönliche Entwicklung von Kindern jeden Alters fördert.“[7] Bis heute formuliert LEGO® seine Mission: „Kinder sind unser wichtigstes Anliegen“, heißt es auf der Website des Unternehmens.[8] Damit verbunden sind bei LEGO® mittlerweile Grundsätze wie etwa einen Beitrag zu den „Sustainable Development Goals“[9] (SDGs) der Vereinten Nationen zu leisten.[10] Hinzu kommen eigene Nachhaltigkeits- und Verantwortungsziele.[11] 2010 formulierte LEGO® auch seine Richtlinien zum Umgang mit Waffen und Militär aus und schrieb dazu in seinem Fortschrittsbericht: „Das grundlegende Ziel ist es, realistische Waffen und Militärausrüstung zu vermeiden, die Kinder aus Brennpunkten auf der ganzen Welt kennen könnten, und bei der Kommunikation von LEGO-Produkten von gewalttätigen oder beängstigenden Situationen abzusehen. Gleichzeitig soll die Marke LEGO nicht mit Themen in Verbindung gebracht werden, die Konflikte und unethisches oder schädliches Verhalten verherrlichen.“[12]
Damit bricht LEGO® nun: Wie auf der Nürnberger Spielwarenmesse im Januar 2020 bekanntgegeben wurde, soll im August dieses Jahres das Set mit der Bezeichnung „LEGO® Technic 42113 Bell-Boeing V-22 Osprey“ für 129,99 Euro (UVP) in den Handel kommen.[13] Damit bringt LEGO® erstmals ein Modell eines aktuell in Dienst befindlichen und in Kriegen eingesetzten Militärfahrzeugs auf den Markt. Noch dazu kooperiert der dänische Klemmbausteinhersteller dabei mit realen Rüstungsfirmen. Doch worum genau geht es?
DAS REALE VORBILD DES LEGO®-MODELLS
Das neue LEGO®-Modell basiert auf einem realen Kipprotorflugzeug, das unter der offiziellen Bezeichnung „Bell Boeing V-22 Osprey“ seit 2007 bei den US-Streitkräften in Dienst ist. Es handelt sich um ein Militärtransportflugzeug und kann neben zwei bis vier Crew-Mitgliedern noch 24 Soldat*innen aufnehmen.[14] Die „Osprey“ (deutsch: „Fischadler“) kann vertikal starten und landen (vertical and/or short take-off and landing – V/STOL), der Erstflug des technisch aufwendigen Flugzeugs fand bereits 1989 statt.[15] Durch den Kipprotor ist die „Osprey“ für das Militär sehr flexibel einsetzbar und erreicht gegenüber Hubschraubern eine etwa doppelt so schnelle Marschgeschwindigkeit von bis zu knapp 500km/h.[16] Die Kipprotortechnik macht die „Osprey“ einzigartig (ein erstes ziviles Kipprotorflugzeug – die AW609 des italienischen Rüstungsherstellers „Leonardo“ – soll bald auf den Markt kommen [17]).
Gebaut wird die „Osprey“ von „Bell Helicopter“, einem Unternehmen, welches mittlerweile zum Industrie-Mischkonzern Textron® gehört, und „Boeing Defense, Space & Security“, der Rüstungssparte des bekannten Boeing®-Luftfahrtkonzerns. Laut dem „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) ist Boeing® mit Rüstungsverkäufen von 26,08 Milliarden Euro (29,15 Milliarden US-Dollar) im Jahr 2018 nach „Lockhead Martin“ der zweitgrößte Rüstungskonzern der Welt.[18] Die Rüstungssparte des Luftfahrtkonzerns stellt neben der „Osprey“ auch Kampfjets (z.B. die „F/A-18“ und „F-15 Eagle“), Kampfhubschrauber (z.B. den „AH-64 Apache“), Bomben (z.B. die „GBU-39/B“) und Raketen (z.B. die „AGM-114 Hellfire“) her.[19] Die Waffen werden hauptsächlich von der US-Armee verwendet, aber auch an Staaten wie Saudi-Arabien[20] geliefert, die die Boeing®-Waffen etwa im Krieg gegen den Jemen einsetzen.[21] Dort wurden nach Recherchen von „Human Rights Watch“ am 15. März 2016 mindestens 97 Zivilist*innen – darunter 25 Kinder – bei der Bombardierung eines Marktes im Dorf Mastaba durch die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition gegen den Jemen getötet. Zum Einsatz kamen satellitengesteuerte „GBU-31“-Bomben, die mit einem von Boeing® gelieferten Upgrade mit der Bezeichnung „Joint Direct Attack Munition“ (JDAM) ausgestattet waren.[22] Es ließen sich unzählige Beispiele mehr für den völker- und menschenrechtswidrigen Einsatz von Boeing®-Waffen auflisten. Neben „konventionellen“ Waffen sind auch Atomwaffen wie die im Dienst befindlichen „LGM-30G Minuteman III“-Interkontinentalraketen Teil des Boeing®-Portfolios.[23] Auch an den u.a. in Deutschland – im rheinland-pfälzischen Büchel – stationierten US-Atomwaffen vom Typ „B61“ ist der US-Rüstungskonzern beteiligt.[24]
Textron® mit seiner Bell®-Luftfahrtsparte ist in der SIPRI-„Top 100 der Rüstungs- und militärischen Service-Unternehmen“ 2018 wiederum mit 3,18 Milliarden Euro (3,5 Milliarden US-Dollar) auf Platz 27.[25] Bell stellt neben der „Osprey“ auch den Kampfhubschrauber „AH-1Z Viper“ und verschiedene Transporthubschrauber her.[26] Auch die Bell/Textron®-Waffen werden vornehmlich an das US-Militär verkauft, in deren Auftrag sie meist auch entwickelt wurden. Textron® war lange Zeit einer der größten Produzenten von Streumunition, welche 2003 im Irak-Krieg 2003 eingesetzt und 2010 nach Indien und 2011 nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert wurde.[27] Erst 2016 stoppte Textron® seine Streumunition, nachdem die US-Regierung einen weiteren Export nach Saudi-Arabien aufgrund zivilgesellschaftlicher Proteste u.a. von „Amnesty International“ untersagte.[28] Der Rüstungshersteller zeigte sich ob der Entscheidung uneinsichtig.[29]
Das nun von LEGO® nachgebildete Kipprotorflugzeug „V-22 Osprey“ wurde für verschiedene Teilstreitkräfte der US-Armee entwickelt, die auch der Hauptkunde des Flugzeugbauers sind. Im Oktober 2019 waren bei der US-Armee 375 „Ospreys“ in Betrieb, die zusammen auf 500.000 Flugstunden kamen.[30] Die Stückkosten für eine „Osprey“ sollen etwa 60 Millionen Euro (75 Millionen US-Dollar) betragen.[31] Damit ist das Kipprotorflugzeug fast doppelt so teuer wie der mit Tandem-Motorisierung ausgestattete schwere Transporthubschrauber „Boeing CH-47 Chinook“, der pro Exemplar etwa 34,6 Millionen Euro (38,6 Millionen US-Dollar) kostet.[32] Die hohen Kosten der „Osprey“ sind für die Hersteller ein Hindernis beim Export des Flugzeugs: Lediglich Japan hat für seine Armee insgesamt 17 „Ospreys“ bestellt[33] , die bis 2022 ausgeliefert werden sollen.[34] Obwohl die US-Regierung bereits 2012 den Weg zum Kauf von sechs Maschinen für die israelische Armee freigemacht hat, die den eigenen Bedarf sogar auf bis zu 14 „Ospreys“ schätzt, kam ein Geschäft aufgrund der hohen Kosten nicht zustande und wurde im Februar 2020 sogar gänzlich abgebrochen.[35]
Dass sich Boeing®/Bell/Textron® mit dem Verkauf des Flugzeugs schwertun, hat wohl auch etwas mit dessen durchwachsenen Ruf zu tun: Zwar bietet die Kipprotortechnik viele militärische Vorteile, die „Osprey“ ist aber fehleranfällig. Schon die Zeit zwischen dem Erstflug 1989 und der Indienststellung 2007 deutet auf eine schwierige Entwicklung hin. Insgesamt 30 Menschen starben bei Abstürzen während der Entwicklungsphase.[36] Seit Indienststellung starben weitere 12 Menschen durch Unfälle mit der „Osprey“.[37] Auch gingen mehrere Maschinen durch Abstürze und Schäden komplett verloren: Im Dezember 2016 ließ das US-Militär seine in Japan stationierten „Ospreys“ nach einem Absturz an der Küste Okinawas, bei dem das Flugzeug in mehrere Teile zerbrochen war, einige Zeit am Boden.[38] Trotz der Probleme ist die „Osprey“ zumindest in der US-Armee großflächig im Einsatz – und soll in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen.
Auf der Heckrampe der „Osprey“ kann ein .50- oder .30-Kaliber-Maschinengewehr montiert werden – in Afghanistan kam es bereits zu Gefechten zwischen US-„Ospreys“ und Taliban.[39] Die US-Armee hat Pläne, das Kipprotorflugzeug in Zukunft mit lasergeführten „Hydra 2.75inch“-Raketen zu bestücken.[40] Durch die schwere Bewaffnung sei die „Osprey“ einem „fliegenden Panzer“ näher als einem Hubschrauber, bemerkt dazu der US-Journalist und Militärexperte Kris Osborn.[41] Auch mit „AGM-176 Griffin“-Luft-Boden-Kurzstreckenraketen fanden schon Tests statt.[42] Das britische Rüstungsunternehmen „BAE Systems“ hat eine um 360 Grad schwenkbare „GAU-17, 7.62mm mini-gun“ samt Zielvorrichtungen für den Rumpf der „Osprey“ entwickelt.[43] Das „United States Marine Corps“ (USMC) soll bis Juni 2012 die Hälfte seiner in Afghanistan stationierter „Ospreys“ mit dem auch „Interim Defense Weapon System“ (IDWS) genannten System ausgestattet haben.[44] Insgesamt verfüge die Einheit über 32 der mit IDWS bewaffneten Flugzeuge.[45] Das Militär möchte die Waffen zwar gerne an mehr „Ospreys“ montieren, dadurch falle aber Frachtkapazität weg.[46] Zudem sehen Boeing®/Bell/Textron® aber Probleme, da das Flugzeug auch besser gepanzert sein müsste, wenn es noch offensiver eingesetzt werde.[47] In jedem Fall wird die „Osprey“ in Zukunft noch offensiver in Kriegen zum Einsatz kommen. Dafür spricht auch, wer das Flugzeug einsetzt.
Die LEGO®-„Osprey“ wird in einer dunkelgrauen Ausführung mit orangefarbenen Akzenten erscheinen[48] – also in einer Variante, in der das „United States Marine Corps“ das Flugzeug nutzt. Das „Marine Corps“ ist eine sehr offensive Teilstreitkraft der US-Armee: „Als Amerikas seit 1775 einsatzbereite Expeditionstruppe sind die US-Marines offensiv ausgerichtet, um die Kämpfe unserer Nation in Krisenzeiten schnell und aggressiv zu gewinnen. Wir kämpfen zu Land, zu Wasser und in der Luft, und stellen Kräfte und Truppenteile für Marineschiffe und Bodenoperationen zur Verfügung“, heißt es auf der Website der Teilstreitkraft.[49]
Dazu passend ist die „Osprey“ bei nahezu allen größeren US-Militärinterventionen im Einsatz: beim USMC beispielsweise seit 2007 im Irak[50] und seit 2009 in Afghanistan.[51] Die „U.S. Air Force“ setzte das Flugzeug schon im Syrien-Krieg sein.[52] Auch die „U.S. Navy“ betreibt einige „Osprey“-Flugzeuge. Das Einsatzspektrum reicht dabei von „Air Assault“ über Transportflüge von und zu Flugzeugträgern und „VIP Transport“ bis hin zu Betankungsflügen und Evakuierungsmissionen. [53] Das Transportflugzeug wurde auch schon in humanitären Hilfsmissionen eingesetzt. Auch helfen die „Ospreys“ bei der Aufrechterhaltung militärischer Einsätze durch medizinische Versorgung der Truppen.[54]
Durch die V/STOL-Eigenschaft und hohe Geschwindigkeit wird die „Osprey“ vom US-Militär häufig für Kommandoaktionen eingesetzt. Ein solcher Einsatz, der öffentliche Aufmerksamkeit erregte, fand im Januar 2014 in einem Dorf im Südwesten des Jemen statt und wurde als „Raid on Yakla“ bekannt[55] : 40 US-Navy SEALS der „Naval Special Warfare Development Group“ (auch bekannt unter der Bezeichnung „SEAL Team Six“) wurden in zwei „Ospreys“ in das Dorf al-Ghayil geflogen um an Informationen über die Aktivitäten von „Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ zu gelangen und auf den Anführer der Gruppe zu stoßen.[56] Aufgrund eines Triebwerkausfalls wurde eine „Osprey“ bei der Landung schwer beschädigt und anschließend zerstört.[57] Der Einsatz eskalierte und neben 14 Extremisten (darunter allerdings nicht der lokale Al-Qaida-Anführer) starb im Gefecht auch ein US-Soldat.[58] Wie erst später durch Recherchen von „Human Rights Watch“ bekannt wurde, wurden bei dem Einsatz auch 14 Zivilist*innen – darunter neun Kinder – durch US-Beschuss getötet.[59] Keines der getöteten Kinder war älter als 13 Jahre.[60]
WIE LEGO® GEGEN SEINE EIGENEN GRUNDSÄTZE VERSTÖSST
Nun will der dänische Klemmbausteinhersteller LEGO® die „Osprey“ also als lizensiertes Modell herausbringen – dies ist in dieser Form ein Novum, weil LEGO bisher kein Spielzeug von aktuell genutzten Militärgeräten hergestellt hat. Dabei hat LEGO® Militär in bisherigen Sets durchaus schon thematisiert: Die lange erfolgreiche „StarWars“-Reihe des Unternehmens hat den „Krieg“ schon im Namen – von „Sternenzerstörern“ und „Todessternen“ über Panzer bis hin zu Drohnen und Fußsoldat*innen machen die LEGO®-Sets die fiktiven Film-Schlachten detailliert nachspielbar. Ebenso ist es mit den „Herr der Ringe“-Modellen. In Sets wie dem 2008 erschienenen „LEGO® Indiana Jones 7622 Die Jagd nach dem gestohlenen Schatz“ gab es sogar Wehrmachtssoldaten (allerdings ohne Hoheitsabzeichen) samt mit einem Maschinengewehr ausgerüsteten Geländefahrzeug. Auch russische Militärs kommen in den lizensierten LEGO®-Sets zum mittlerweile zum „Disney“-Konzern gehörenden „Indiana Jones“-Franchise vor.
2002 veröffentlichte der Spielzeughersteller das Set „10024 Roter Baron“. Bei der in der „Sculptures“-Reihe erschienenen „Fokker Dr. I“ handelt es sich um das Dreidecker-Jagdflugzeug des Deutschen Heeres, das im Ersten Weltkrieg von Manfred von Richthofen geflogen wurde, der mittlerweile von Historiker*innen kontrovers betrachtet wird.[61] Mit dem realen Vorbild des LEGO®-Modells wurden dutzende Menschen getötet. Bereits 2001 erschien in derselben LEGO®-Reihe die „Sopwith Camel“, das „Gegenstück“ zur deutschen „Fokker Dr. I“: Die „Sopwith F.1 Camel“ war ein im Ersten Weltkrieg verwendetes britisches Jagdflugzeug. Das nicht einem*r bestimmten Pilot*in zugeordnete LEGO®-Modell ist wie das Original mit zwei Maschinengewehren ausgestattet. 2012 erschien unter der Nummer „10226“ eine weitere – größere und detailreichere – Version der „Sopwith Camel“ sowie unter der Nummer „40049-1“ eine Mini-Version.
Auch ist die „Osprey“ nicht das erste Set, bei dem der dänische Klemmbausteinhersteller mit Boeing® zusammengearbeitet hat. 2006 erschien das offiziell lizensierte Set „LEGO® 10177 Boeing 787 Dreamliner“ in der „Sculptures“-Serie. Das große Modell des zivilen Boeing®-Flugzeugs blieb bei den Dänen aber eine Ausnahme. LEGO® scheint – zumindest bisher – nicht über eine umfassende Boeing®-Lizenz zu verfügen: Viele zivile Flugzeuge und seit 2020 auch Militärjets und Hubschrauber werden vom polnischen LEGO®-Konkurrenten COBI® produziert.[62]
Was neu ist und das „LEGO® Technic 42113 Bell-Boeing V-22 Osprey“-Set zu einem Novum macht, ist die Nachbildung eines aktuell im Einsatz befindlichen Militärvehikels. Dieses erscheint noch dazu unter der Lizenz der Original-Hersteller, Boeing® und Bell/Textron®. Mit der Veröffentlichung eines Militärflugzeugs der Gegenwart und der Kooperation mit den beiden Rüstungsherstellern verstößt LEGO® klar gegen eigene Grundsätze. Das könnte auch Folgen für das Image des Unternehmens haben.
Wie einleitend geschildert, lässt sich LEGO® von selbstformulierten Visionen leiten und schließt sich dazu etwa internationalen Initiativen für Nachhaltigkeit an. Dies trägt sehr zum – positiven – Image des Unternehmens bei. In seinem zuletzt für das Jahr 2018 veröffentlichten Verantwortungs- und Nachhaltigkeitsbericht schreibt das Unternehmen stolz über seine Selbstverpflichtung, die „Sustainable Development Goals“[63] der Vereinten Nationen einzuhalten:
„Im Jahr 2003 sind wir als erstes Spielzeugunternehmen dem ‚Globalen Pakt‘ der Vereinten Nationen beigetreten – der weltweit größten Initiative zur Unternehmensverantwortung – und haben uns mit dem universellen Aufruf zum Handeln verschrieben um Armut zu beenden, den Planeten zu schützen und um sicherzustellen, dass alle Menschen in Frieden und Wohlstand leben können.“[64]
Die „Sustainable Development Goals“ stehen dabei mit „Militär“ (und dem Nachbau von Kriegsgerät als Spielzeug) durchaus in Konflikt. LEGO® sieht sein Wirken dabei laut Nachhaltigkeitsbericht besonders in den Bereichen „Bildung für alle“ (Ziel 4), „Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen“ (Ziel 12), „Sofortmaßnahmen gegen den Klimawandel“ (Ziel 13) und „Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ (Ziel 17). Mindestens Ziel 4 und 13 stehen dabei zu dem lizensierten LEGO®-„Osprey“-Modell im Widerspruch: Militär verhindert – gerade wenn es offensiv eingesetzt wird, so wie es bei dem Kipprotorflugzeug der Fall ist[65] – oft, dass Kinder in einer Umgebung aufwachsen, in der sie zur Schule gehen und Bildung erfahren können. In dem Nachhaltigkeitsbericht 2018 informiert LEGO® zudem über finanzielle Großspenden zur Unterstützung von Flüchtlingskindern in Syrien, Jordanien und dem Libanon. Dass eben diese Kinder auch vor Kriegen fliehen mussten, die mit Waffen von Boeing® und Bell/Textron® – nicht nur der „V-22 Osprey“ – geführt werden (sowohl in Syrien als auch im nahen Irak), mit denen LEGO® wiederum zusammenarbeitet, steht dazu im Widerspruch. Und auch der Klimawandel wird vom Militär nicht bekämpft, sondern mitverursacht. Allein der Kraftstoffverbrauch des US-Militärs verursacht mehr Emissionen als Portugal, Schweden oder Dänemark zusammen.[66] Im Kyoto-Protokoll von 1997 wurde Militär bewusst ausgeklammert und ist frei darin, Emissionen zu verursachen.[67] Hinzukommen schwer in Klimabilanzen einzurechnende Emissionen, die durch Militäreinsätze selbst – etwa durch die Zerstörung und anschließend nötigen Wiederaufbau von Infrastruktur – verursacht werden. Die Aussagen und Ziele von LEGO® im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes stehen also im Widerspruch zu der Kooperation mit den Rüstungsherstellern: Militärfahrzeuge wie die „Osprey“ von Boeing® und Bell/Textron® tragen deutlich zum Klimawandel bei.
LEGO® hält seine Grundsätze und Leitwerte gleich in mehreren Dokumenten fest. Neben den regelmäßigen Verantwortungs- und Nachhaltigkeitsberichten finden sie sich auch in LEGOs® „Ideas“-Programm wieder. LEGO® „Ideas“ wurde 2008 in Japan ins Leben gerufen und 2011 auf die ganze Welt ausgeweitet.[68] Auf der LEGO®-Website heißt es zu dem Programm: „Jeder über 18 kann seine Ideen bei LEGO® Ideas einreichen und so die Chance erhalten, dass das Set Wirklichkeit wird. Andere Fans können für ein Projekt stimmen und jedes Modell, das zehntausend Stimmen erhält, wird von uns begutachtet.“[69] Jährlich werden einige von LEGO®-Fans eingereichte Sets – in abgewandelter Form – als offizielle Sets auf den Markt gebracht. Neben dem Alter der Einreichenden müssen diese noch weitere Richtlinien beachten. Auf der Website des „Idea“-Programms heißt es: „Produktideen, die sich auf die folgenden Themen beziehen, passen nicht zu unseren Markenwerten und werden nicht zur Veröffentlichung auf LEGO Ideas freigegeben.“[70] Interessant sind dabei vor allem folgende drei Punkte:
„6. Tod, Töten, Blut, Terrorismus, Schrecken oder Folter
[…]
8. Kriegsführung oder Kriegsfahrzeuge in jeder modernen oder gegenwärtigen Situation, oder nationale Kriegsgedenkstätten
9. Große oder im menschlichen Maßstab gebaute Waffen oder Waffennachbildungen jeder Art, einschließlich Schwerter, Messer, Pistolen, Sci-Fi- oder Fantasy-Blaster usw.“[71]
Bei der „Osprey“ von Boeing®/Bell/Textron® handelt es sich um ein aktuell in Kriegen eingesetztes Waffensystem. Mit seinem Modell des Kipprotorflugzeugs verstößt LEGO® folglich gegen seine eigenen „Markenwerte“. Das Kipprotorflugzeugmodell des Klemmbausteinherstellers bildet ein modernes Waffensystem nach, welches in für einige Menschen todbringende Einsätze involviert war. LEGO® könnte die „Osprey“ in seinem eigenen „Ideas“-Programm nicht einbringen: Es stellt sich mit dem Modell gegen seine eigenen Grundsätze.
2008 wurde ein bis heute nicht geändertes LEGO® „Brand Framework“ („Marken-Rahmenwerk“) formuliert, bestehend aus vier Aspekten: Spiel-Versprechen: Der Spaß am Bauen und Stolz auf die eigene Kreation; Partner-Versprechen: Gegenseitige Wertschätzung; Planet-Versprechen: Positiver Einfluss auf die Erde; Menschheits-Versprechen: Gemeinsamer Erfolg.[72] Diese „Mission and vision“ hat sich seitdem offiziell nicht geändert – das Unternehmen sich aber schon. 2019 hat LEGO® begonnen, sich den so genannten „Adult fans of Lego“ (AFOLs) – also Erwachsenen LEGO®-Bauer*innen – zuzuwenden. Großangelegt ist der Wandel – bislang – nicht[73] und besteht bei den eigenen Modellen lediglich aus bisher nicht dagewesenen „18+“-Alterskennzeichnungen auf den Verpackungen einiger ab 2020 erscheinender Sets (die bisher höchste Alterseinstufung war 16). Bei den 2020 erscheinenden „Wall Art“-Modellen ist dies etwa der Fall: Aus LEGO®-Steinen gebaute Mosaik-Bilder mit Motiven etwa von den „Beatles“ (31198) und „Andy Warhol Marilyn Monroe“ (31197)[74] – es geht LEGO® mit der neuen Kennzeichnung also nicht um Jugendschutz. Es ist vielmehr eine Marketingaktion, um eine bestimmte Zielgruppe deutlicher anzusprechen.
Im Gegensatz etwa zu den von der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) vergebenen Alterseinstufungen von Videospielen oder den von der „Freiwillige Selbstkontrolle“ vergebenen Einstufungen von Filmen ist die auf den LEGO®-Verpackungen für Verkäufer*innen nicht bindend. Es handelt sich lediglich um unverbindliche Altersempfehlungen von LEGO® selbst, die vor allem das „Können“ der (meist jungen) Klemmsteinbauer*innen berücksichtigt.[75]
Nachdem erste Informationen von der Nürnberger Spielwarenmesse auch beim „Osprey“-Set auf ein „+18“ auf der Verpackung schließen ließen, wird es im LEGO®-Katalog für das zweite Halbjahr 2020 sogar für „Ab 11 Jahren“ ausgewiesen. Die Zielgruppe des Militärgeräts sind also sogar schon Kinder. Sie sind weiterhin die Hauptzielgruppe des dänischen Unternehmens.
Das zeigt sich auch an erst 2020 veröffentlichten Statements: Im Rahmen der Coronakrise schrieb der aktuelle LEGO®-CEO Niels B. Christiansen einen offenen Brief, in dem es u.a. um die temporäre Schließung der LEGO®-Läden geht. Der erste Satz des Schreibens lautet: „Die Gesundheit und Sicherheit von Kindern und Gemeinschaften weltweit hat für uns oberste Priorität.“[76] – wie steht es mit dieser Aussage im Zusammenhang mit Rüstungsfirmen, deren Produkte Menschen ganz real bedrohen und sogar töten? Christiansen schreibt in dem Brief weiter: „Einer unserer Unternehmenswerte ist die Fürsorge.“ Wie passt dies mit der Zusammenarbeit mit Boeing®/Bell/Textron® zusammen?
Ebenfalls mit dem Hintergrund der Coronakrise gab LEGO® im Mai 2020 eine Kooperation mit der Kinderrechtsorganisation „Save the Children“ bekannt.[77] Weiß die Kinderrechtsorganisation, die sich etwa im Irak und im Jemen – also in Einsatzgebieten der realen „Ospreys“ – engagiert, von der Kooperation des dänische Klemmbausteinhersteller mit den Fabrikanten von Militärvehikeln?
Im Juni 2020 sprach sich LEGO® nach dem Mord des Afroamerikaners George Floyd durch vier Polizisten und den anschließenden „Black Lives Matter“-Protesten gegen Rassismus aus. In einem Statement auf Twitter verkündete das Unternehmen vier Millionen US-Dollar an Organisationen zu Spenden, die Schwarze Kinder unterstützen und Bildungsprogramme gegen Ungleichheit aufgrund der Hautfarbe anbieten: „Wir stehen mit der Schwarzen Community gegen Rassismus und Ungleichheit“, schreibt LEGO® dazu.[78] In den Kriegseinsätzen mit Waffen von Boeing® und Bell/Textron® werden ebenfalls Menschen umgebracht – dabei herrscht ein struktureller Rassismus: Die Opfer des mit „Osprey“-Maschinen durchgeführten „Raid on Yakla“ im Jemen – 14 Zivilist*innen, darunter neun Kinder – haben keine Gerechtigkeit erfahren. Beim „Kunduz Massaker“, bei dem (auf Befehl der deutschen Bundeswehr hin) zwei von Boeing® produzierte GBU-38 durch einen von Boeing® produzierten F-15-Kampfjet der US-Armee am 4. September 2009 auf eine Gruppe von Menschen nahe dem afghanischen Kunduz abgeworfen wurde, kostete mindestens 83 Zivilist*innen – darunter auch Kindern – das Leben.[79] Auch dieser Einsatz hatte für die verantwortlichen Militärs keine negativen Konsequenzen. Und das sind nur zwei Beispiele von strukturellem Rassismus bei Militäreinsätzen, bei denen Boeing®/Bell/Textron®-Waffen verwendet wurden. LEGO® hat allgemein sehr akzeptierte Grundsätze, die es mit seinem „Osprey“-Set und der Zusammenarbeit mit den Rüstungsherstellern selbst torpediert.
FAZIT: BRICKS OR BOMBS?
Wie viel ist LEGO® der Bruch mit den eigenen Grundsätzen – und auch dem lange aufgebauten und gepflegten Image – wert? Dies ist die Frage, um die es bei der Debatte um das „LEGO® Technic 42113 Bell-Boeing V-22 Osprey“-Set, welches im August 2020 erscheinen soll, geht. Wie viel mehr Gewinn verspricht sich LEGO® dadurch zu machen, dass ihr „Osprey“-Set mit der Original Boeing®/Bell/Textron®-Lizenz versehen ist statt alternativ ein nicht lizensiertes und nur nahe am Original liegendes Modell zu sein? Lohnt es sich für LEGO® finanziell, dafür mit den eigenen moralischen Prinzipien und Werten zu brechen? Zahlt es sich für den Spielzeughersteller aus, mit Rüstungsunternehmen, deren Waffen in zahlreichen Konflikten rund um den Globus eingesetzt werden, zu kooperieren? Sind Boeing® und Bell/Textron® wirklich die richtigen Geschäftspartner für LEGO®? Und ist die „Osprey“ wirklich ein zum dänischem Klemmbausteinhersteller passendes Modell?
Die „Osprey“ ist ein explizit für das Militär gebaute Vehikel, welches manche Einsätze – etwa von Kommando-Truppen – erst realisierbar macht. Das Flugzeug wurde dabei etwa beim „Raid on Yakla“ auch nachweislich schon in Einsätzen verwendet, bei dem Kinder von den einsetzenden US-Militärkräften getötet wurden.
Die Klemmbaustein-„V-22“ hat zudem einen werblichen Effekt: Der Kauf teurer Rüstungsgüter ist häufig gesellschaftlich und politisch umstritten – und das Kipprotorflugzeug mit etwa 60 Millionen Euro Stückkosten sogar besonders teuer.[80] Dessen Darstellung als Spielzeug könnte die Akzeptanz bei den Steuerzahlerinnen erhöhen. Militärgerät, wie die „Osprey“ spielen in der alltäglichen Realität der druchschnittlichen LEGO®-Nutzerinnen keine Rolle. Modelle wie das von LEGO® machen das teure Gerät sichtbar – und zumindest zum Teil erlebbar (die LEGO®-„Osprey“ ist mit einem Elektromotor ausgestattet, der das Flugzeug zwar nicht fliegen lässt aber andere Funktionen durchführbar macht). Boeing®/Bell/Textron® profitieren also nicht nur von – mutmaßlichen – Lizenzgebühren, sondern auch von einer durch das LEGO®-Modell gesteigerten Akzeptanz. Es findet eine Normalisierung/Banalisierung des Militärischen in der Zivilgesellschaft statt.[81] Will der dänische Spielzeughersteller wirklich bei der Etablierung eines umstrittenen realen Militärgerätes helfen?
Bilder des „LEGO® Technic 42113 Bell-Boeing V-22 Osprey“-Modells zeigen es mit kleinen „RESCUE“-Schriftzügen an jeder Seite: Eine solche Ausführung der „Osprey“ gibt es in der Realität nicht. Da es sich bei den Schriftzügen sehr wahrscheinlich um optional anzubringende Aufkleber (und nicht um bedruckte LEGO®-Elemente) handelt, ändert dies nichts an der Kritik: Die „V-22 Osprey“ ist ein modernes Militärvehikel, es gibt keine zivilen Nutzerinnen und mit den Einnahmen aus dem Verkauf des LEGO®-Modells werden zwei Rüstungshersteller mitfinanziert. Die „RESCUE“-Schriftzüge sind ein offensichtliches Marketing-Manöver, um den militärischen Charakter des zu verdecken. Oder wie eine Nutzerin eines LEGO®-Fanforums sarkastisch bemerkte: „Ich freue mich auf die B-2 Spirit in den Farben luftgestützter Feuerwehreinheiten“ – die „B-2 Spirit“ ist ein Tarnkappenbomber der US-Armee.[82] Bei aller Problematik gäbe es für LEGO® eine einfache Lösung, um sich treu zu bleiben: Sie könnten ein Kipprotorflugzeug herausbringen, welches nur an die „Osprey“ angelehnt ist – etwa andere Farben hat und ein leicht (!) vom realen Flugzeug abgewandeltes Aussehen besitzt (wobei der Detailgrad der meisten LEGO®-Modellen sowieso nur beschränkt ist, weshalb Urheberrechtsverletzungen schwer sind) – und daher auch ohne Lizenzen auskommen würde. Der „Bauspaß“ wäre derselbe und der Kaufpreis für die Verbraucherinnen durch die wegfallenden Lizenzgebühren mutmaßlich sogar niedriger.
Dieses Vorgehen wäre nicht neu, sondern würde in vielen Bereichen der aktuellen Modellpolitik von LEGO® entsprechen. Mit dem „LEGO® Technic 42066 Air Race Jet“ gibt es seit 2017 ein an den realen Kampfjet „Lockheed Martin F-35“ angelehntes Modell: Der große – und wichtige – Unterschied zur „Osprey“ ist, dass dieses Modell weder unter der Lizenz des Rüstungsherstellers erschien, noch direkt Bezug auf das militärische Original genommen wurde. Der LEGO®-Jet erschien in den militäruntypischen – bunte – Farben azurblau-rot-schwarz samt weiterer (optional anzubringender) bunter Aufkleber, die das Modell sofort als nicht-militärisch erkennbar machen. Das 2014 veröffentlichte „LEGO® Technic“-Set „42025 Cargo Plane“ wiederum ähnelt dem deutsch-französischen Militärfrachtflugzeug „Transall C-160“, ist jedoch in einer weiß-blauen-Ausführung und kommt ohne Lizenz aus. Unter der Nummer „8434“ hatte LEGO® 2004 sogar schon mal ein kleineres Kipprotorflugzeug ohne Lizenz eines realen Flugzeugbauers im Programm seiner „Technic“-Reihe. Und auch in der LEGO®-„City“-Reihe gab es 2013 bereits ein „Schwenkrotorflugzeug“ (60021), welches äußerlich lediglich an die „Osprey“ angelehnt ist und ohne Lizenzen auskam.
Die Modelle zeigen: Es gibt für LEGO® keinen Zwang, ein Kipprotorflugzeug unter einer Hersteller-Lizenz zu veröffentlichen. Auch aus der Realität entnommene, aber leicht abgewandelte Vehikel sind problemlos auf den Markt zu bringen. LEGO® kann auf den sich ändernden Markt bzw. die vom Unternehmen neu angesprochene Zielgruppe – die älteren Käufer*innen – reagieren, ohne Militärfahrzeuge produzieren oder Vereinbarungen mit umstrittenen Unternehmen wie Boeing®/Bell/Textron® einzugehen. Erwachsene mehr als Zielgruppe zu bedienen bedeutet nicht automatisch, Militärmodelle herstellen oder mit Rüstungsfirmen zusammenarbeiten zu müssen: LEGO® kam bisher gut ohne Militärfahrzeuge aus, macht seit 2005 Gewinn, der seit 2015 sogar jährlich die Eine-Milliarde-Euro-Marke übersteigt.[83]
Die Veröffentlichung der „LEGO® Technic 42113 Bell-Boeing V-22 Osprey“ ist aus ökonomischer Sicht für den dänischen Klemmbausteinhersteller nicht nötig – und könnte sogar schädlich sein, wenn die Lizenzgebühren zu hoch sind oder zum Beispiel das Image darunter leidet. Zudem stellt das Modell einen Bruch mit den Werten und Grundsätzen des Unternehmens dar. LEGO® sollte sich gut überlegen, ob es wirklich mit den zwei großen Waffenhersteller zusammenarbeiten will. Bisher hat sich LEGO® bewusst von Militär ferngehalten, was sich auch in den bisherigen Unternehmensgrundsätzen und Entscheidungen widerspiegelte: für eine friedliche Welt für Kinder und Erwachsene.
Anmerkung
Leider hat LEGO® trotz mehrerer eingegangener Einschreiben nicht auf Fragen und Gesprächsangebote zum Thema dieser Studie reagiert. Zwar erbrachten Recherchen viele Erkenntnisse, einige wichtige Fragen sind aber noch unbeantwortet – wie etwa die, wie die hier kritisch betrachtete Lizenzvereinbarung zwischen LEGO® und den beiden Rüstungsfirmen Boeing®/Bell/Textron® genau aussieht. Nur die beteiligten Firmen könnten dazu Auskunft geben.
Quellen und Hinweise
[1] N. N.: Umsatz der LEGO Group weltweit von 2003 bis 2019 (in Milliarden Dänischen Kronen/ Milliarden Euro), in: www.statista.com, März 2020.
[2] Klaas, Lukas: Rekorderlös: Lego steigert Umsatz 2019 auf 5,15 Milliarden Euro, in: www.meedia.de, 5. März 2020.
[3] Hohmann, M.: Markenwert der wertvollsten Spielwarenmarken weltweit im Jahr 2019, in: www.statista.com, 19. Juli 2019.
[4] N. N.: The LEGO Group delivered top and bottom line growth in 2019, in: www.lego.com, 4. März 2020.
[5] Beck, Katharina: Lego weiterhin die Nummer 1 der Verbraucher – Deutschlands Marken des Jahres 2019, in: www.yougov.de, 29. Oktober 2019.
[6] Handley, Lucy: How marketing built Lego into the world’s favorite toy brand, in: www.cnbc.com, 27. April 2018.
[7] N. N.: Mission and vision, in: www.lego.com.
[8] Ebenda.
[9] N. N.: About the Sustainable Development Goals, in: www.un.org.
[10] Kristensen, Henrik Trangeled/Jacobsen, Claus Lindholm: The LEGO Group Responsibility Report 2018, 21. Februar 2019.
[11] N. N.: About us – Reports, in: www.lego.com.
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[13] Haedicke, Daniel: Spielwarenmesse: Die LEGO Technic Neuheiten 2020 im Detail, in: www.promobricks.de, 29. Januar 2020.
[14] N. N.: BELL BOEING V-22 OSPREY – Featurs, in: www.bellflight.com.
[15] Schwarz, Karl: Weltweit unterwegs – Bell Boeing V-22 Osprey, in: www.flugrevue.de,16. August 2015.
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[18] N. N.: The SIPRI Top 100 arms-producing and military services companies in the world, in: www.sipri.org.
[19] N. N.: DEFENSE, in: www.boeing.com.
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[21] Schmitt, Eric/Walsh, Declan: Arms Sales to Saudis Leave American Fingerprints on Yemen’s Carnage, in: www.nytimes.com, 25. Dezember 2018.
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[24] Mansholt, Malte: Boeing-Patzer: Pentagon warnt vor Lücke in Software zur Steuerung von Atomwaffen, in: www.stern.de, 3. Februar 2020.
[25] N. N.: The SIPRI Top 100 arms-producing and military services companies in the world, in: www.sipri.org.
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[31] Schwarz, Karl: Weltweit unterwegs – Bell Boeing V-22 Osprey, in: www.flugrevue.de,16. August 2015.
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[46] Ebenda.
[47] Pawlyk, Oriana: But the rumored addition is still not a done deal, according to Bell-Boeing officials, in: www.military.com, 30. Mai 2018.
[48] Haedicke, Daniel: Spielwarenmesse: Die LEGO Technic Neuheiten 2020 im Detail, in: www.promobricks.de, 29. Januar 2020.
[49] N. N.: Who We Are – OUR PURPOSE – OUR MISSION, in: www.marines.com.
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[58] Emmons, Alex: Pentagon Says 35 Killed in Trump’s First Yemen Raid — More Than Twice as Many as Previously Reported, in: theintercept.com, 20. Dezember 2018.
[59] N. N.: Yemen: US Should Investigate Civilian Deaths in Raid, in: www.hrw.org, 24. Februar 2017.
[60] Craig, Iona: Death in al Ghayil, in: theintercept.com, 9. März 2017.
[61] N. N.: Eine Legende mit Schrammen, in: www.faz.net, 21. April 2018.
[62] N. N.: Boeing, in: cobitoys.de.
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[64] Kristensen, Henrik Trangeled/Jacobsen, Claus Lindholm: The LEGO Group Responsibility Report 2018, 21. Februar 2019.
[65] Mount, Mike: Maligned aircraft finds redemption in Iraq, military says, in: www.cnn.com, 9. Februar 2008.
[66] Krebs, Andreas: Das US-Militär – einer der größten Klimasünder in der Welt, in: www.heise.de, 26. Juni 2019.
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[68] N. N.: Über LEGO® Ideas, in: www.lego.com.
[69] Ebenda.
[70] N. N.: Product Idea Guidelines – Acceptable Content, in: ideas.lego.com/guidelines, 18. Dezember 2019.
[71] Ebenda.
[72] N. N.: Mission and vision, in: www.lego.com.
[73] Zur neuen Politik LEGOs®, die AFOL- Zielgruppe mehr zu bedienen, passt allerdings auch die Übernahme des Klemmbaustein-Marktplatz-Onlineportals „BrickLink“ im November 2019 und das darüber laufende „AFOL Designer Program“. – N. N.: The LEGO Group acquires BrickLink, the world’s largest online LEGO® fan community and marketplace to strengthen ties with adult fans, in: www.lego.com, 26. November 2019.
[74] Steinmetz, Robert: LEGO Wall Art: Das versteckt sich hinter Projekt Zebra, in: www.promobricks.de, 25. März 2020.
[75] N. N.: Alter, in: www.lego.com.
[76] Christiansen, Niels B.: An open letter from Niels B Christiansen, CEO, The LEGO Group, in: www.lego.com, 18. März 2020.
[77] N. N.: The LEGO Group Collaborates with Save the Children and NITI Aayog to Support Children Impacted by COVID-19 in India, in: www.lego.com, 27. Mai 2020.
[78] N. N.: @LEGO_Group, in: www.twitter.com/LEGO_Group, 3. Juni 2020.
[79] Gebauer, Matthias: Zivile Opfer in Kunduz – Der schwierige Weg zur Entschädigung, in: www.spiegel.de, 8. Dezember 2009.
[80] Shinkman, Paul D.: The V-22 Osprey May Have Climbed out of Controversy, in: www.usnews.com, 29. März 2013.
[81] Vgl. Thomas, Tanja/Virchow, Fabian: Banal Militarism – Zur Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen, Bielefeld 2006.
[82] N. N.: 42113 Bell Boeing V-22 Osprey, in: www.eurobricks.com, 1. Juni 2020.
[83] N. N.: Gewinn der LEGO Group weltweit von 2003 bis 2019, in: statista.com, März 2020.
Fotos (von Oben nach Unten): LEGO®, Bell®, BAE Systems®, LEGO®, LEGO®, US-Army, US-Army, LEGO®, LEGO®, LEGO®
Autor dieser Studie: Michael Schulze von Glaßer (svg@dfg-vk.de)
Korrekturen: Katharina Müller, Felix Werdermann, Thomas Carl Schwoerer
Redaktionsschluss: 30. Juni 2020
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen